Ich glaube daran, dass wir jeden morgen inspiriert zur Arbeit gehen und abends erfüllt nach Hause kommen. Stellt sich bloss die Frage, wie weit wir davon entfernt sind. Und welche Verantwortung dabei die Unternehmen tragen – oder tragen sollten.
Mal ganz ehrlich: auf einer Skala von 1 bis 10, wenn «10 = ich liiieeebe meinen Job» ist, wie sieht's dann bei dir aus? Bist du doch über 5? Oder noch?
Und dabei meine ich nicht, dass du deine Arbeit ganz ok, abwechslungsreich oder sogar cool findest. Ich meine, dass du deinen Job so richtig liebst. Ohne wenn und aber.
So, dass du morgens glücklich bist, um dich an die Arbeit zu machen. So, dass du abends nach Hause kommst und weisst, dass du den Tag nicht besser hättest gestalten können. Und so, dass du keine Sekunde daran denkst, etwas anderes machen zu wollen.
Stell dir jetzt noch einmal die Skala vor...
Aktuelle Studien besagen, dass 87% aller Arbeitstätigen in ihrem Job unerfüllt sind.
Also praktisch 9 von 10 fühlen sich im Job unerfüllt. Nur einer von 10 fühlt sich emotional am richtigen Ort. Ganz schön krass, wenn man an fast 2000 Stunden denkt, die man durchschnittlich jedes Jahr mit Arbeit verbringt. Und das bei einem Arbeitsleben von etwa 40 Jahren.
Oder wie viele Jahre hast du beruflich noch vor dir? Gleichzeitig steigen gesundheitsbedingte Abwesenheiten, Burnouts, Depressionen – und Scheidungsraten. Beruflich unerfüllt und privat unglücklich oder krank. Ob das wohl einen Zusammenhang hat? Natürlich hat es das.
Ist Erfüllung im Job eine Illusion?
Im meiner jugendlichen Naivität dachte ich, die Arbeit müsse einem Spass machen, man sollte Neues lernen und gleichzeitig etwas bewegen können. Weil ich das jeweils nicht oder nur kurzfristig erlebte, ich mich nicht wertgeschätzt oder ernst genommen fühlte, sah ich die Flucht bzw. den Neustart an anderem Ort als einzige Option auf der Suche nach Erfüllung.
Tatsächlich war es aber mehr die Hoffnung, die aber nicht lange währte. «Same same, but different». Kommt das dir vielleicht bekannt vor?
Mit der Zeit dachte ich, das Problem sei ich. Zu hohe Ansprüche, zu wenig Geduld. Also ging ich die bekannten Kompromisse ein.
Gute Bezahlung, dafür aber eintönige Arbeit und Leute. Sehr viel Arbeit mit schlechter Bezahlung, dafür aber abwechslungsreiche Aufgaben und coole Leute. Faire Bezahlung für eine spannende und vielseitige Arbeit, aber unfähige Vorgesetzte oder profitgeile Geschäftsführer.
Doch der Frust blieb. So kam ich immer mehr zum Schluss, die Erfüllung im Job zu finden sei eine Illusion. Aber ist es wirklich so?
Liegt die Kunst wirklich darin, den bestmöglichen Kompromiss zu finden? So, dass die Arbeit maximal ok ist, aber weder inspiriert noch erfüllt? Echt jetzt?
Geben wir uns nach so viel Evolution, Aufklärung und Bildung damit zufrieden, moderne Söldner zu sein, die für irgendwelche Auftrag- bzw. Arbeitgeber einfach eine Leistung erbringen und dafür Geld erhalten? Und dafür Gesundheit und Privatleben riskieren?
Verantwortung für unser Glück
Ich gebe mich damit nicht zufrieden. Nicht mehr. Ich glaube fest daran, dass wir in erster Linie Freude am Leben haben sollten. Und damit meine ich nicht, einfach nichts zu tun oder nur zu feiern.
Man soll etwas tun. Man muss sogar etwas tun. Nur sollte es nichts sein, dass einem nicht gefällt, widerspricht oder sogar frustriert. Man soll keine kostbare Zeit für etwas opfern, das einem schlicht nicht gut tut.
Natürlich, wir haben Verantwortung. Für unsere Partner, Kinder oder auch für unsere Eltern. Vor allem haben wir aber die Verantwortung für uns. Für unser Leben. Erst wenn wir das wahr und ernst nehmen, können wir auch bewusst für unser Umfeld sorgen.
Diese Verantwortung heisst aber nicht nur Geld zu verdienen. Sie heisst vor allem glücklich und erfüllt zu sein.
Damit geben wir viel mehr, als bloss mit Geld, das wir verdienen. Wir inspirieren, motivieren, aktivieren. Wir bringen andere dazu, nicht einfach unerfüllte Söldner zu sein. Wir bringen andere dazu, zu hinterfragen. Aufzuwachen. Die Faust aus dem Sack zu nehmen. Und vielleicht sogar, etwas zu ändern.
Erfüllung – ob beruflich oder privat – braucht einen Grund. Man muss wissen, warum man etwas tut. Vor allem, wenn es um den Job geht. Man muss an etwas glauben können, das grösser ist, als die Arbeit, die man ausführt. Etwas, das Sinn macht und Sinn stiftet. Zum Beispiel etwas, das unser Leben vereinfacht, die Welt verbessert oder anderen hilft.
Da sehe ich aber nicht nur uns, sondern vor allem die Chefetagen der Unternehmen in der Verantwortung. Im Arbeitsleben wird viel von uns gefordert und erwartet. Ganz selbstverständlich. Schliesslich werden wir ja dafür bezahlt.
Dabei verantworten CEO's und Geschäftsführer aber eigentlich keine Zahlen, Renditen oder Gewinne. Sie verantworten Menschen! Wir vertrauen ihnen einen wertvollen Teil unseres Lebens an. Dafür sollten sie uns nicht nur einen Ort zum arbeiten bieten, sondern vor allem einen Grund.
Wer Leistung will, muss Sinn bieten
Wenn man die langfristig erfolgreichsten Unternehmen weltweit anschaut, haben sie genau das gemeinsam: Sie geben ihren Leuten nicht bloss einen Lohn, sondern vor allem einen Grund, für sie zu arbeiten.
Nehmen wir zum Beispiel Apple. Warum schaffen sie es, seit jeher ihre Leute so zu motivieren und fortlaufend innovativ zu sein? Obwohl alle anderen genau die gleichen Möglichkeiten und Fähigkeiten haben, innovativ zu sein?
Apple definiert sich nicht über das, WAS sie machen. Apple definiert sich über das, WARUM sie es machen. Sie stellen nicht bloss Computer her. Sie wollen nicht einfach am Ende des Jahres Gewinn machen. Und sie bezahlen ihren Mitarbeitenden nicht einfach Geld, damit diese eine Leistung erbringen.
In allem was Apple tut, glauben sie daran, den Status quo zu hinterfragen und herauszufordern. Sie glauben daran, revolutionär zu sein und anders zu denken. Sie glauben daran, die Technologie menschlicher zu machen.
Das tun sie, indem sie Produkte herstellen, die unglaublich benutzerfreundlich sind, sehr einfach zu bedienen und wunderschön designed sind.
Seit Steve Jobs' Gründung führt sie das dazu, Menschen an Bord zu holen, die nicht einfach einen Job haben wollen, sondern ebenfalls genau daran glauben.
«Think different» ist nicht bloss ein Claim. Es ist Apples Überzeugung und Antrieb. Genau das führt Menschen dazu, Teil davon sein zu wollen und mit vollem Einsatz und Commitment dazu beizutragen. Nicht für einen Lohn, nein. Für die eigene Erfüllung.
Don't hate the game, CHANGE the game!
Leider gibt es aber ganz wenige Steve Jobs, Richard Bransons oder Bob Chapmans. Mutige Leader und echte Visionäre, die ihren Mitarbeitenden nicht bloss einen Job geben, sondern Sicherheit, Inspiration und einen wirklichen Sinn in der täglichen Tätigkeit.
Leider gibt es viel zu viele Manager, die ohne Mut oder Vision sich selber schützen – und die eigenen Leute für bessere Zahlen und höhere Boni opfern. Ähnlich wie kriegerische Herrscher und Könige, die ihre Söldner für mehr Macht und Ruhm opferten. Schliesslich wurden die ja dafür bezahlt.
Aber eben, was wollen wir machen. Wir müssen ja das Spiel mitspielen... Wirklich? Müssen wir das? Sonst was?
Ich bin Optimist, nicht Idealist. Natürlich kann man Systeme und Verhalten nicht von heute auf morgen revolutionieren. Natürlich kann man Manager nicht in Leader umpolen. Aus ängstlichen Führungskräften werden nicht plötzlich mutige Visionäre. Aber wir müssen nicht warten, bis das (eben nicht) passiert.
Wir können damit anfangen, nicht mit allem einverstanden zu sein. Eine andere Meinung zu haben – und die auch zu sagen.
Wir können mutig zu sein, etwas probieren, etwas riskieren. Wer im Leben etwas verändern will, fängt am besten bei sich selbst an.
Was haben wir denn zu verlieren? Unsere Sicherheit als Söldner? Ist uns die wirklich mehr Wert, als ein glückliches und erfülltes Leben? Worauf werden wir am Ende unseres «sicheren» Lebens wohl zurückschauen und sagen «Ach, hätte ich doch...».
Denn eines steht fest: So oder so, wir kommen aus diesem Spiel namens Leben nicht lebend heraus. Also, fangen wir an zu leben.
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